Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Seitdem sind tausende Menschen, vor allem Frauen und Kinder, aus der Ukraine geflüchtet. Das Projekt „Lu can help“ entstand kurz nach Kriegsausbruch im Heinrich Pesch Haus und arbeitet insbesondere mit dem Malteser Hilfsdienst e. V. eng zusammen. „Lu can help“ versteht sich als Koordinierungsstelle für Geflüchtete aus der Ukraine einerseits und Privatpersonen, Einrichtungen und Unternehmen andererseits, die sich für Menschen in Not einbringen wollen.    

Ein Gespräch mit Frau Kerttu Taidre, die für LU can help Angebote für Geflüchtete koordiniert.

Wie unterstützt „Lu can help“ die Geflüchteten?
Wir sammeln zum einen alle Informationen, die für die Geflüchteten interessant sein können, und geben sie weiter. Dazu gehören sowohl unsere Angebote als auch Angebote in Ludwigshafen oder von anderen Organisationen – also einfach alles, was den Leuten ihr alltägliches Leben und die Integration in Ludwigshafen erleichtert. Auf der anderen Seite sind wir Ansprechpartner für alle, die sich ehrenamtlich für die Geflüchteten einbringen wollen.

Können Sie konkrete Beispiele geben, wie diese Hilfe aussieht?
Wir bieten konkrete Aktionen an und haben zum Beispiel mit den Geflüchteten Lebensläufe erstellt und die Stadtbibliothek besucht. Dann gab es schon mehrere Veranstaltungen in Kooperation mit der Akademie für Frauen im Heinrich Pesch Haus, wo auch das Büro von „Lu can help“ seinen Sitz hat. Hier ging es um Fragen rund um Bewerbungen und den Arbeitsmarkt. Gerade die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ist ein sehr wichtiges Thema für die Menschen. Bei Bedarf bieten wir auch 1:1-Beratungen an, machen Hausbesuche, helfen beim Ausfüllen von Anträgen oder dabei, Dokumente zu verstehen. Wir sind auch Ansprechpartner für Menschen, die Ukrainer*innen bei sich zu Hause aufgenommen haben. Diese Angebote werden alle ehrenamtlich durchgeführt. Auch unsere Sprachkurse übrigens, die wir siebenmal in der Woche anbieten. Zukünftig wollen wir auch Freizeitangebote machen und gemeinsame Ausflüge in die Region unternehmen.

„Lu can help“ gibt es ja bereits seit einem knappen Jahr. Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken – haben sich die Bedürfnisse der Geflüchteten verändert?

Zu Beginn des Krieges dachten viele, dass sie nur vorübergehend hier sein werden. Anfang des Sommers wuchs dann die Gewissheit, dass der Krieg länger dauern würde und die Geflüchteten mussten sich Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Bei aller Ungewissheit war dann viel zu tun: Eigenen Wohnraum finden, die Kinder haben Schul- und Kita-Plätze gebraucht und die Eltern Deutschkurse. Mit dem Schulbeginn hat sich bei vielen ein Tagesrhythmus eingespielt, die Kinder gehen in die Schule, die Eltern besuchen einen Sprachkurs. Ein großes Thema ist jetzt die Frage: Was kann ich arbeiten? Und kann ich überhaupt Arbeit finden, damit ich selbstständig leben kann? Die große Unsicherheit – wie lange der Krieg noch dauern wird, wie wird unser Leben in der Ferne – hämmert im Hinterkopf.

Haben Sie Einblicke, wie es den Menschen geht?
Der erste Schock über den Krieg und die Flucht ist jetzt weg. Zwar bekommen die Geflüchteten täglich Nachrichten über den Krieg, aber diese sind ein fester Bestandteil ihres – und auch unseres – Alltags geworden, mit dem wir leben müssen. Für viele ist die Situation nicht einfach, es sind ja vor allem alleinstehende Frauen oder Frauen mit Kindern. Manche benötigen psychologische Hilfe. Hier haben sich schutzsuchende ukrainische Psychologinnen zusammengetan und bieten ehrenamtlich Beratung auf Ukrainisch und Russisch an. Und manches dauert sehr lange, wie zum Beispiel die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Durch die Zuständigkeit des Jobcenters, hatten Ukrainer*innen sehr schnell den Zugang zu Sprachkursen, eigenem Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten. Der Integrationsprozess konnte gleich nach der Ankunft beginnen. Bei Geflüchteten aus anderen Ländern gibt es nicht so einfache Regelungen. Der Schock über die Ereignisse in der Heimat sitzt noch tief, und man versteht nicht, warum dieser Krieg geführt wird. Die Ukrainer*innen probieren, den Alltag für sich und ihre Kinder so gut wie es geht zu meisten und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Aber sie würden ihr Land nie aufgeben sowie die Hoffnung, eines Tages in die freie Ukraine zurückzukehren.

Wie sehen die Perspektiven der Geflüchteten aus? Wollen Sie zurückkehren?
Wie bei allen Gruppen gibt es sehr unterschiedliche Ansichten: Es gibt Geflüchtete, die gerne hierbleiben möchten und sehr viel dafür tun. Es gibt auch sehr viele, besonders die Kinder, die wieder zurück in die Ukraine wollen. Viele würden gerne zurück, aber da ist alles zerbombt, auch ihr Haus oder die ganze Stadt. Da stellt sich die Frage: Wohin sollen wir zurückgehen, wenn nichts von unseren vorigen Leben übrig geblieben ist? Letztendlich hängt es davon ab, wann und wie der Krieg endet. Sicherlich wird dann auch die individuelle Situation eine Rolle spielen: Wie sind die Kinder integriert? Stehen sie kurz vor einem Schulabschluss? Steht mein Haus, steht meine Arbeitsstelle noch? Klar ist: Der Wiederaufbau wird lange dauern, das geht nicht von heute auf morgen.

Was denken die Geflüchteten über den Krieg?
Sie wissen, dass die Ukraine Hilfe braucht, und sind dankbar für die Unterstützung der anderen Länder. Den Ukrainer*innen ist es wichtig, den Krieg nicht zu vergessen, dass wir solidarisch sind und die Ukraine nicht aufgeben. Sie sind bereit, für ihre Freiheit zu kämpfen und stolz auf ihr selbstständiges Land, die Ukraine.

Der Krieg ist täglich Thema in den Medien, aber über die Geflüchteten wird, so mein Eindruck, kaum noch gesprochen …
Da stimme ich zu. Es gibt in Deutschland viele anderen Themen, die auch wichtig sind. Durch den Krieg werden aber auch in Deutschland Themen wie z. B. die Ausrüstung der Bundeswehr diskutiert, die davor nicht relevant waren. Der Krieg in der Ukraine wird mehr im politischen Sinne thematisiert – wie ist die Haltung Deutschlands dazu? Wie weit soll/darf man eingreifen? Dies sind wichtige Fragestellungen, aber man muss sich auch klar sein, dass es einen Krieg vor der Haustür gibt und man nicht neutral bleiben kann, wenn man es auch gerne würde. Es wird weniger über die Geflüchteten und ihre Integration berichtet. Aber auch, wenn das Thema weniger in den Medien präsent ist, sind die Menschen doch immer noch solidarisch mit der Ukraine und probieren, an vielen Stellen zu helfen. Das erlebe ich immer wieder. Gerade mit Blick auf die Angebote von „Lu can help“ kann ich nur sagen, dass für Geflüchtete allgemein sehr viel angeboten wird, auch speziell für Menschen aus der Ukraine.

Helfen Sie mit, dass LU can help weiterhin die wichtige Integrationsarbeit leisten kann. Hier unser Spendenkonto:
Heinrich Pesch Haus
Sparkasse Vorderpfalz
IBAN DE75 5455 0010 0193 9231 90
BIC: LUHSDE6AXXX

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